Di, 16:30 Uhr
28.10.2025
Aufklärung über die Kunst, sich miteinander abzustimmen
Ein Omnibus für die direkte Demokratie
Der Omnibus hat einen doppelte Bedeutung. Als Transportmittel im öffentlichen Nahverkehr der Großstädte verrichtet er gute Dienste und bedient sogleich in seinem lateinischen Namen eine zweite entscheidende Bedeutung, die da lautet: für alle, mit allen, durch alle…
(re.) Werner Küppers Omnibusfahrer, (li.) Kunststudent und Mitstreiter Elias Franz (Foto: Eva Maria Wiegand)
Kein Wunder also, dass sich eine gemeinnützige Vereinigung für Direkte Demokratie eben diesen Namen gab und nun seit mehreren Jahrzehnten in einem ausgedienten Linienbus der Berliner Verkehrsbetriebe durch die Republik fährt, um für ihre Ziele und Überzeugungen zu werben. Es geht den engagierten Mitgliedern der Gruppe um die Verwirklichung von Volksabstimmungen, wie sie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland im Artikel 20 vorsieht. Dort heißt es wörtlich:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 20
Die Omnibus-Leute wollen die hier angesprochenen Abstimmungen als Volksabstimmungen regeln, indem sie über eine Volksinitiative, die Unterschriften sammelt, über die Behandlung des jeweiligen Begehrens im Bundestag und ein anschließendes Volksbegehren schlussendlich zu einem Volksentscheid kommt, der sich einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen verpflichtet fühlt.
Vorbild für eine gelebte direkte Demokratie ist ihnen dabei die Schweiz, wo drei wichtige Instrumente zur Umsetzung direkter Demokratie bestehen:
Die Volksinitiative, bei der die Bürger mit 100.000 Unterschriften eine Abstimmung über einen Vorschlag zur Änderung der Bundesverfassung erzwingen können.
Zweitens ein fakultatives Referendum, was nach der Verabschiedung eines Gesetzes durch das Parlament die Chancen der Bürger regelt, eine Volksabstimmung gegen das Gesetz zu verlangen, um es wieder zu kippen.
Und drittens pflegen die Helvetier ein obligatorisches Referendum. Hierbei müssen bestimmte Vorlagen aus der Politik, wie Verfassungsänderungen, immer dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Abstimmungsvorschläge sind so verfasst, dass mit Ja- oder Nein-Stimmen die betreffende Sachlage mit einer einfachen Mehrheit entschieden wird.
Von einer solchen klaren Regelung ist die deutsche Bundesrepublik weit entfernt und die Initiativgruppe OMNIBUS bemüht sich wie in Thüringen auch die Schwesterorganisation Mehr Demokratie um Aufklärung über die Wichtigkeit einer direkt erzeugten Demokratie. Wobei es den Akteuren explizit nicht um parteipolitische Interessen oder Ideologie geht, sondern immer nur um die Überprüfung bzw. Durchsetzung einer konkreten Sachlage. Inzwischen haben diese Gruppen schon einiges erreicht, erzählt uns stolz der Busfahrer Werner Küppers, der seit dem Jahre 2000 sogar in den wärmeren Monaten im Ominbus wohnt. Über eine Million Stimmen sammelte die Organisation nach der Wende, um Volksabstimmungen bundesweit einzuführen. Mehr als 9.000 regionale und lokale Bürgerbegehren wurden seitdem umgesetzt, über einhundert landesweite Abstimmungen initiiert. Auch in Thüringen sind zwei Erfolge erzielt worden. 363.123 Bürger verlangten im Jahre 2000 die Absenkung der Hürden für landesweite Volksabstimmungen. Mit Erfolg. 2008 unterstützte der OMNIBUS wochenlang ein Volksbegehren, das zur Vereinfachung und Verbesserung für Bürgerentscheide in Thüringer Landkreisen und Kommunen führte.
Jetzt stand der gute, alte Omnibus zwei Tage in Bad Langensalza auf der Marktstraße und Werner Küppers und seine jungen Mitstreiter versuchten mit den Menschen ins Gespräch zu kommen über die Verwirklichung direkter Demokratie in Deutschland. Die Erfahrungen, die wir in den einzelnen Orten und Bundesländern sammeln sind ganz unterschiedlich, berichtet der 75-jährige Küppers, der sein Leben der Idee der direkten Demokratie gewidmet hat. Man kann den Menschen nicht in den Kopf schauen, sagt er, aber wir reden mit allen und suchen nach Verbindungen und nicht nach Abgrenzungen.
Begonnen hat alles auf Initiative des weltberühmten Aktionskünstlers Joseph Beuys, der 1971 die Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmungen gründete und das Projekt ein Jahr darauf auf der Kasseler documenta 5 installierte. Kurz nach seinem Tod startete 1987 der erste Bus und seit 2000 rollt der jetzige weiße Ex-Berliner durchs Bundesgebiet. Wobei er über eine Million Kilometer zurückgelegt hat, jährlich in einhundert Städten Station macht und zu Kongressen und Veranstaltungen europaweit gefahren ist. Ganze Generationen von jungen Menschen haben inzwischen ein Praktikum im OMNIBUS des Demokratie-Aktivisten Küppers absolviert.
Finanziert wird das Unternehmen von einem Förderkreis aus demokratieinteressierten Menschen, deren Zahl inzwischen die 3.000 erreicht hat. Jede Hilfe, ob personell oder materiell, wird gern angenommen. Wir brauchen eine Entwicklung der Demokratie durch mehr Beteiligung. Die Gesellschaft und das Leben bieten uns vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Darüber wollen wir auf Augenhöhe mit allen Interessierten sprechen., erläutert Werner Küppers sein Anliegen. Und er schätzt ein, dass all die politischen Parteien kein Motiv haben, Volksabstimmungen durchzuführen. Uns begegnet immer wieder eine arrogante Einstellung der Politik zur möglichen Umsetzung direkter Demokratie.
Demokratie (von altgriechisch δημοκρατία dēmokratía Volksherrschaft) ist ein Begriff für Formen der Herrschaftsorgansiation auf der Grundlage der Partizipation bzw. Teilhabe aller an der politischen Willensbildung. So umreißt Wikipedia die inzwischen heiß umkämpfte Ausformung einer demokratischen Willensbildung. Viele Fortschritte auf dem Weg von der griechischen Demokratie, in der nur die freien, weißen Männer stimmberechtigt waren, über die Demokratievorstellungen eines Robespierre, Stalin oder Honecker bis hin zu heutigen Varianten wie einer parlamentarischen Demokratie wurden schon ausprobiert. Möglicherweise bleibt aber zur bis Erreichung einer echten direkten Demokratie aus dem Volkswillen heraus noch viel zu tun und es müssen noch einige Busse mehr rollen, bis die mehrheitliche Meinung einer Gebietskörperschaft in gerechter Weise in Gesetz und Herrschaft umgesetzt wird.
Olaf Schulze
Autor: osch
(re.) Werner Küppers Omnibusfahrer, (li.) Kunststudent und Mitstreiter Elias Franz (Foto: Eva Maria Wiegand)
Kein Wunder also, dass sich eine gemeinnützige Vereinigung für Direkte Demokratie eben diesen Namen gab und nun seit mehreren Jahrzehnten in einem ausgedienten Linienbus der Berliner Verkehrsbetriebe durch die Republik fährt, um für ihre Ziele und Überzeugungen zu werben. Es geht den engagierten Mitgliedern der Gruppe um die Verwirklichung von Volksabstimmungen, wie sie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland im Artikel 20 vorsieht. Dort heißt es wörtlich:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, Artikel 20
Die Omnibus-Leute wollen die hier angesprochenen Abstimmungen als Volksabstimmungen regeln, indem sie über eine Volksinitiative, die Unterschriften sammelt, über die Behandlung des jeweiligen Begehrens im Bundestag und ein anschließendes Volksbegehren schlussendlich zu einem Volksentscheid kommt, der sich einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen verpflichtet fühlt.
Vorbild für eine gelebte direkte Demokratie ist ihnen dabei die Schweiz, wo drei wichtige Instrumente zur Umsetzung direkter Demokratie bestehen:
Die Volksinitiative, bei der die Bürger mit 100.000 Unterschriften eine Abstimmung über einen Vorschlag zur Änderung der Bundesverfassung erzwingen können.
Zweitens ein fakultatives Referendum, was nach der Verabschiedung eines Gesetzes durch das Parlament die Chancen der Bürger regelt, eine Volksabstimmung gegen das Gesetz zu verlangen, um es wieder zu kippen.
Und drittens pflegen die Helvetier ein obligatorisches Referendum. Hierbei müssen bestimmte Vorlagen aus der Politik, wie Verfassungsänderungen, immer dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden. Die Abstimmungsvorschläge sind so verfasst, dass mit Ja- oder Nein-Stimmen die betreffende Sachlage mit einer einfachen Mehrheit entschieden wird.
Von einer solchen klaren Regelung ist die deutsche Bundesrepublik weit entfernt und die Initiativgruppe OMNIBUS bemüht sich wie in Thüringen auch die Schwesterorganisation Mehr Demokratie um Aufklärung über die Wichtigkeit einer direkt erzeugten Demokratie. Wobei es den Akteuren explizit nicht um parteipolitische Interessen oder Ideologie geht, sondern immer nur um die Überprüfung bzw. Durchsetzung einer konkreten Sachlage. Inzwischen haben diese Gruppen schon einiges erreicht, erzählt uns stolz der Busfahrer Werner Küppers, der seit dem Jahre 2000 sogar in den wärmeren Monaten im Ominbus wohnt. Über eine Million Stimmen sammelte die Organisation nach der Wende, um Volksabstimmungen bundesweit einzuführen. Mehr als 9.000 regionale und lokale Bürgerbegehren wurden seitdem umgesetzt, über einhundert landesweite Abstimmungen initiiert. Auch in Thüringen sind zwei Erfolge erzielt worden. 363.123 Bürger verlangten im Jahre 2000 die Absenkung der Hürden für landesweite Volksabstimmungen. Mit Erfolg. 2008 unterstützte der OMNIBUS wochenlang ein Volksbegehren, das zur Vereinfachung und Verbesserung für Bürgerentscheide in Thüringer Landkreisen und Kommunen führte.
Jetzt stand der gute, alte Omnibus zwei Tage in Bad Langensalza auf der Marktstraße und Werner Küppers und seine jungen Mitstreiter versuchten mit den Menschen ins Gespräch zu kommen über die Verwirklichung direkter Demokratie in Deutschland. Die Erfahrungen, die wir in den einzelnen Orten und Bundesländern sammeln sind ganz unterschiedlich, berichtet der 75-jährige Küppers, der sein Leben der Idee der direkten Demokratie gewidmet hat. Man kann den Menschen nicht in den Kopf schauen, sagt er, aber wir reden mit allen und suchen nach Verbindungen und nicht nach Abgrenzungen.
Begonnen hat alles auf Initiative des weltberühmten Aktionskünstlers Joseph Beuys, der 1971 die Organisation für Direkte Demokratie durch Volksabstimmungen gründete und das Projekt ein Jahr darauf auf der Kasseler documenta 5 installierte. Kurz nach seinem Tod startete 1987 der erste Bus und seit 2000 rollt der jetzige weiße Ex-Berliner durchs Bundesgebiet. Wobei er über eine Million Kilometer zurückgelegt hat, jährlich in einhundert Städten Station macht und zu Kongressen und Veranstaltungen europaweit gefahren ist. Ganze Generationen von jungen Menschen haben inzwischen ein Praktikum im OMNIBUS des Demokratie-Aktivisten Küppers absolviert.
Finanziert wird das Unternehmen von einem Förderkreis aus demokratieinteressierten Menschen, deren Zahl inzwischen die 3.000 erreicht hat. Jede Hilfe, ob personell oder materiell, wird gern angenommen. Wir brauchen eine Entwicklung der Demokratie durch mehr Beteiligung. Die Gesellschaft und das Leben bieten uns vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten. Darüber wollen wir auf Augenhöhe mit allen Interessierten sprechen., erläutert Werner Küppers sein Anliegen. Und er schätzt ein, dass all die politischen Parteien kein Motiv haben, Volksabstimmungen durchzuführen. Uns begegnet immer wieder eine arrogante Einstellung der Politik zur möglichen Umsetzung direkter Demokratie.
Demokratie (von altgriechisch δημοκρατία dēmokratía Volksherrschaft) ist ein Begriff für Formen der Herrschaftsorgansiation auf der Grundlage der Partizipation bzw. Teilhabe aller an der politischen Willensbildung. So umreißt Wikipedia die inzwischen heiß umkämpfte Ausformung einer demokratischen Willensbildung. Viele Fortschritte auf dem Weg von der griechischen Demokratie, in der nur die freien, weißen Männer stimmberechtigt waren, über die Demokratievorstellungen eines Robespierre, Stalin oder Honecker bis hin zu heutigen Varianten wie einer parlamentarischen Demokratie wurden schon ausprobiert. Möglicherweise bleibt aber zur bis Erreichung einer echten direkten Demokratie aus dem Volkswillen heraus noch viel zu tun und es müssen noch einige Busse mehr rollen, bis die mehrheitliche Meinung einer Gebietskörperschaft in gerechter Weise in Gesetz und Herrschaft umgesetzt wird.
Olaf Schulze